29.08.2008

Freundlich


Nach einer herrlichen Woche 3xS-Urlaub in Thailand (3xS: Sonne-See-Strand!...) bin ich jetzt wieder am Airport in Bangkok. Gleich geht es zurück zu Taipei - mit Freundenbesuche! - und Samstag dann wieder zurück nach Hause.

Was mich in Thailand am meisten beeindruckt hat, ist die unglaubliche Asiatische Freundlichkeit. Auf jedem Gesicht, an jeder Uhrzeit und in jedem Zusammenhang zaubern alle Thai ein unheimlich schönes Lächeln hervor - und die Thai helfen einem bis aufs extremsten! Im Gegensatz zu den Touristen im Flugzeug nach Bangkok gestern abend, wovon mindest zwei drittel das Gesicht auf halb elf hängen hatte... Warum machen wir es uns Menschen manchmal so schwer, fragt man sich in solchen Momenten...

Die Anfahrt zum Airporthotel hier in Bangkok war übrigens sehr interessant. Zwei höchstens 14-jährige Jungen, strack im Pack, stehen mit Stadthallengrünen (für die Hagener Intimi...) Aushängeschild vor einem der Tore im Flughafen, wo man als geraden angekommene Tourist auch nicht mal die leiseste Hoffnung haben kann, da jemals von einem 13-jährigen Beamter zugelassen zu werden... Inzwischen wird man von wirklich *allen* Seiten bombardiert mit "Where are you going Sir?" "Taxi sir?", und alle wartende Taxifahrer stürzen sich mit der Wehemenz eines Tigers auf Ihre potentielle Kunden!... Aber ich habe es geschafft, und für noch keine 20 Euro ein Hotel ohne Kackerlacken mit einem ordentlichen Bett und Airporttransport in einem luxen Van - da kann man wirklich nicht meckern!

Anbei noch einigen Fotos von den Balletproben und -Aufführungen in Taiwan!


mit Rebecca


Probe in Tainan


Training


Probe in Singzu



Nicola und Micha (Solisten)


Probe in Tainan


mit Allen (Choreograph) und Daniel (Solist und Assistent)


kritisch beobachtet...


mit Wen Chin Lee (Half-Solist) und Roger (Konzertmeister)


mit Yuan-Ting (Half-Solist)

20.08.2008

Leidenschaft...

Gestern abend war die letzte Vorstellung in Shingzu, irgendwo in der Taiwanesische Provinz... Es war ein altmodisches, kinomäßiges Zuschauerraum, aber hatte eine schöne Atmosphäre. Nur... es sah so aus alsob die Reinigungsdienst in Shingzu schon ein paar Jahre gestreikt hat... Alle Tänzer hatten vielleicht 4 Spiegel, der Aufenthaltsraum für das ganze Orchester war ungefähr so groß wie 5 Toiletträume - und gerade Toiletten hatten wir gerne ein bißchen mehr gehabt - eine Toilette für ungefähr 100 Mann ist ja nicht gerade üppig, vor allem, wenn auch noch das Toilettpapier fehlt... Nach erster Entdeckungsreise im Orchestergraben, die ich übrigens nicht ohne Lebensgefahr erreicht habe (wie kommt man da eigentlich? Also, großer Ladeaufzug nach unten - durch eine Art Bibliothek wo Kinder gerade am malen sind - dann durch ein Art verstaubtes altes Packhaus - und dann eine ganz steile Treppe so fast 10 Meter RAUF-klettern), habe ich die sechs (!) Orchesterwarte (Entschuldigung, Carlos, Heinrich und Marcus...) erstmal beauftragt einen Putzlappe zu holen und die Wänden des Grabens gründlich zu wischen...!

Während das die anderen trainiert haben (ich nicht, macht Euch keine Sorgen/Hoffnung...!) bin ich mit einem Freund von Allen in der drückende Hitze von Shinzu gegangen, wo nach drei Minuten uns beiden der Schweiz über den Stirn lief. Also was macht man dan?... Dann wird gesündigt! Wir sind beide in einem McDonalds geflüchtet... Und haben uns da an dem Ice-Kaffee gewagt! Weil in dieser Vorstellung wieder, nach anderthalbwochigen Pause, das Chimei Philharmonic Orchestra spielen würde, und dieses Stück für die ersten Geigen wirklich sehr harig ist, hatte unser Konzertmeister Roger die Gruppe einfach (!) eine Stunde früher bestellt. Natürlich war kein ordentlicher Probenraum zur Verfügung, also ist die ganze Gruppe in einer Art Vorlesungsraum gelandet, mit fester Bestuhlung. Und da kann man natürlich nicht wirklich "musikalisch" sitzen, also bleibt man einfach während der Probe stehen!... Nachdem ich nach einer halbe Stunde mal reinschaute waren allen fleißig daran - und der Konzertmeister stand auf dem Stuhl und dirigierte!

Übrigens haben die hier ganz tolle, auf dem Pulten aufklipbare Lichte für den Orchestermusiker - Yamaha "mighty bright". Hatte ich noch nie gesehen, aber funktionierte wunderbar, statt all die übliche Kabeln und Schnüren im Orchestergraben! Und war nicht teuer! Sogar der Dirigent hat einer bekommen!

Die Vorstellung war grandios - ein wirklich fulminanter Abschluss. Alle haben noch so richtig das letzte gegeben, und was aus dem Orchester kam war schier unglaublich. Nach meine knappe Ansage in der Anspielprobe, daß "das Blech heute sehr offen sitzt, und alle Dynamiken halbiert werden müßen" kam den ganzen Abend eine energische aber wunderbar differenzierte Blechklang, der nie das mezzoforte und damit das Orchester überdröhnte. Die Streicher haben das Stück wirklich mit wahnsinnigen Leidenschaft "gelebt", und die Holzbläser-Soli waren so innig und wunderschön. Und während der ganze Vorstellung hatte ich so eine enorme Menge Augenkontakt - das war phantastisch! Am Ende der Vorstellung trampelte und klopfte das Orchester vor großer Freude, und wir hatten dann auch standing ovations - für Taiwan eine Sensation!

Zum Schluss mußten wieder zahlreiche Unterschrifte verteilt werden, und wollten wiederum etliche Teenys den Kapellmeister digital verewigen... Ich bekam auch noch einige schöne Geschenke von den Tänzern - Chinesische Tee, herrliche Cake, und eine tolle "Happiness-Kette". Und ich war sehr gerührt.

Es ist komisch, wie schnell man sich (oder ich mich) mit leidenschaftlichen und passionierten Leuten verbunden fühlt. Von den Orchestermusiker und den Tänzern ist die ganze Zeit so eine große Energie rübergekommen, das hat mich schon sehr gepackt. Auch der Choreograph Allen hat mich mit seinem harten aber ehrlichen, konsequenten und liebevollen Art, und seinen unglaublichen Zieleinforderung und Leidenschaft, wahnsinnig beeindruckt. Ich bin sehr dankbar, daß ich diese Leute allen kennengelernt habe, und mit Ihnen arbeiten durfte - es war eine grandiose Erfahrung. Nachdem wir dann allen kurz nach zwölf wieder zurückwaren in Taipei, und ausführlich uns verabschiedet hatten, konnte ich natürlich nicht schlafen, und habe noch etliche Emails verschickt. In Hagen lief gerade das erste Sinfoniekonzert unter meinem Nachfolger Florian Ludwig, und in Gedanken war ich bei ihm und meinen ehemaligen Orchesterkollegen.

Übrigens nehme ich jetzt eine gute Woche "Blog-Pause" - ich werde heute abend nach Thailand fliegen, und eine Woche lang kein Telefon und Computer bedienen. Ende August komme ich zurück nach Taipei, und bin ab ersten September wieder für neue europäischen Abenteuer bereit! Es gibt gleich in September sehr viel: Open Air Konzert in Duisburg mit Sergey Nakariakov und Geert Chatrou, dann in Bochum den kompletten Ma Vlast und ein Auftritt bei den internationalen Herbsttagen in Iserlohn mit Ralph Manno, und anschließend Het Gelders Orkest mit Gavriel Lipkind und 5. Dvorak. Aber ich freue mich sehr darauf!!!

16.08.2008

Guter Stil...

Komme gerade zurück von einem Besuch am Fine Art Museum. Dieses Museum ist eingebeddet in einer Art "Kunstgarten" und war das erste Museum für moderne Kunst in Taiwan - es hat eine ausführliche Kollektion, mehr als 3000 Kunstwerke! Die meisten Gemälden sind gemacht von Taiwanesische Künstlern von nach 1940. In dem ersten Stock gab es eine Übersicht von französische moderne und science fiction Architektur aus dem ketzten Jahrhundert. Im zweiten Stock gab es dann Gemälden von den "schönsten Orte auf dem Insel Taiwan". Und das war wahnsinnig schön!

Auf dem dritten Stock gab es dann eine wahnsinnig tolle Ausstellung mit 137 Werke der Taiwanesische Maler J.C. Kuo (und ich muß zugeben, da hatte ich noch nie von gehört!...). In der Taiwanesische Malstile hat er eine echte eigene, ganz klare Sprache. Manchmal sehr schockierend, manchmal auch sehr lustig. Er arbeitet viel mit Verfremdung von Gesichten und Körpern, und das reinbringen von kleine, lustige Elemente in einem ansonsten sehr vollen und sehr ernsten Gemälde. Das alles ist natürlich überhaupt nicht neu, aber diesen Stil ist trotzdem sehr persönlich, und hat mir besonders gut gefallen. Hierunter ist ein Bild von ihm: "God speed you".


Gestern abend war übrigens unser Taipei Premiere in dem Metropolitan Hall, mit Fernseh-Mitschnitt und DVD-Aufnahme. Und sie war grandios! Tobendes Publikum, Orchester hat sich sehr wacker geschlagen, und unsere Ballett-Solisten waren herausragend!!! Es gab auch viele wichtige Leute, u.a. der Kanzler von Taiwan und der Kulturministerin. Und allen waren begeistert!

Bin gerade wieder zurück auf meinem Hotelzimmer, und werde mich gleich für eine Stunde hinlegen um ein bißchen Kräfte zu tanken. Das rumlaufen in der Stadt mit der Hitze und Feuchtigkeit ist ganz schön anstrengend - und heute abend geht es wieder los! Morgen noch der dritte Vorstellung in Taipei, und am Montag haben wir dann - Gottseidank - endlich einen Tag frei!

15.08.2008

Voll...


In den letzten Tagen habe ich mich ein bißchen mehr in das Taiwanesischen gesellschaftlichen Leben begeben... Vorgestern einen Elektronikladen gesucht und gefunden beim Taipei Main Station. Endlich habe ich jetzt auch einen Skype-Mikro. Obwohl der Kopf der Taiwanesen viele Male kleiner ist als ich, zumindest das habe ich beim auspacken im Hotel gemerkt!...

Nach der Generalprobe gestern bin ich mit Daniel, Peter und Allen nach der berühmte Shilin Nachtmarkt gewesen. Auf diesen Nachtmärkte kann man billige Waren, Snacks und einfachen Schmuck erwerben für einen absolut lächerlichen Preis. Es ist wirklich unglaublich voll dort - wahnsinnig viele Menschen - und von allen Seiten bekommt man lebhafte Eindrücke und wird man angehalten um etwas zu kaufen.

Das witzigste sind vor allem die Verkäufer, die in der Mitte der Straße stehen mit Ihrem Stand. Dies ist offiziell verboten, und anscheint auch mit einer hohen Strafe bedacht, deswegen gibt es ein ausgeklüngeltes Warnsystem, das ganz klar angibt wenn die Polizei in Ankunft ist. So war ich gestern in lebendigen Verhandlung mit einem Verkäufer, der plötzlich in Michael-Phelps-Tempo alles einpackte, so ungefähr mich dabei, und rasendschnell verschwund in einer Seitenstraße. Zwei Minuten später wurde ich dann von einem Mädchen mitgenommen und zu dem Verkäufer geführt - es wäre doch schade diesen Deal nicht zustandekommen zu lassen!

Das allerlustigste war dann, wo wir, zu viert, um 23.45 in einem Kleidungsgeschäft standen, und um 0.15 alle mit perfektem Kostum und kürzer gemachte Hosen für ein Drittel (!) der ursprünglichen Preis den Laden verlassen haben!

Weiterhin haben wir gestern Hotpot gegessen. Das kannte ich schon von der Familie Rufet, aber ich hatte es noch nie in einem Restaurant gemacht. Der Hotpot ist ein Art chinesisches Fondue mit kochendem Wasser. Chinesisches Fondue besteht aus Gemüse und Fleisch oder Fisch, das in einem Fond im Fonduetopf gekocht und dann in Sojasoße getaucht wird. Extrem lecker und extrem sättigend!

Bleibt noch übrig zu erzählen daß ich natürlich sehr traurig bin über unser von Holland verlorenes Baseballspiel gegen den Taiwanesen. 5-0... Also doch http://www.ihr-seid-nicht-lange-dabei.de/!


Und heute abend Premiere in Taipei mit dem Taiwanesischen Fernsehen!...

12.08.2008

Aufzug...


Ich komme gerade zurück von einem leckeren Essen (wie kann es auch anders...) und einen tollen Besuch an Taipei 101. Taipei 101 ist einer der höchsten Wolkenkratzer der Welt (wenn man Antennen oder Masten nicht einbezieht), und war von Newsweek Magazine in 2006 ausgerufen zu einem der "Seven New Wonders of the World". Und das ist sie tatsächlich! Sie ist 509 Meter hoch, hat (selbstverständlich) 101 Stockwerken. In den unteren Stockwerken sind viele Geschäfte zu finden, meist sehr exklusive. Man kann bis zum 89. Stockwerk gehen mit einem der schnellsten Aufzüge der Welt: in 37 Sekunden waren wir oben - und das bedeutet das wir ungefähr 60 Km/St. gefahren sind!!! Heute war auch das offene Dach am 91. Stockwerk geöffnet, und man hatte von hieraus einen ungekannt schönen Blick über Taipei, den 3 Millionen-Einwohner-Metropole wo wir am Freitag Premiere haben. Also - ich bin schwerst beeindruckt...!

Heute nachmittag stand die erste Bühne-Orchesterprobe in Taipei Cultural Centre auf dem Programm. Der Graben war nicht tief, dafür aber sehr breit. Wie all diese Musiker (fast 60) problemlos dareingegangen sind ohne zu motzen ist mir ein großes Rätsel... Nachdem alle Musiker dann saßen, und ich am Pult war, wurde der Graben erstmal einen Meter hochgefahren. Schlagzeug und Harfe auch hier in einem sonderbaren Kabuff... Es gab am Anfang ziemliche Zusammenspielproblemen, vor allem wegen der großen Abstand zwischen der eine und der andere Seite des Grabens, aber das haben wir nach der Pause mit ziemlich konsequentes Proben doch wunderbar im Griff bekommen.

Die Probe ging ja um 14.00 los und um 14.05 meinten dann die Dachdecker des Theaters daß das Orchester dieses Stück bestimmt nicht alleine bewältigen würde. Daraufhin fingen sie einfach unbedarft an in fortissimo mit uns mitzuspielen...! Diese Situation ist mir ja nicht unbekannt, und die Hagener Musiker, die mich kennen, können sich bestimmt schon ein Bild machen von der hierauf folgenden Viertelstunde. Nachdem erstmal niemand meinte hierfür verantwortlich zu sein (...), ist Allen schnell zu den Intendanten des Theaters gegangen, und nach 10 Minuten konnten wir ungestört unsere Probe verfolgen.
Nur ab und zu unterbrochen von einem kurzen Klingel, wenn möglich in einer Generalpause: diese Klingel wollte uns nur mitteilen daß der Aufzug wieder auf Bühnenniveau ist angekommen!


10.08.2008

Friseur?...




Gestern war die Premiere von "Dame aux camélias" - und sie war ein Riesenerfolg!!! Das Orchester hat vorzüglich gespielt, und die Tänzer haben sehr konzentriert getanzt! Die große Halle war so gut wie voll (1500 Leute!) und am Ende gab es riesigen Beifall für alle, vor allem für Nicola, Michan und Alexander, unsere drei Solisten. Natürlich auch für Allen, unserer Choreograph - und nicht zuletzt für das großartige Chimei Philharmonic Orchestra!

Vorher gab es noch etwas Stress - die erste Flöte war am abend vorher hart hingefallen, aber sie hat trotz ziemliche Schmerzen hervorragend gespielt. Überhaupt einen phantastischen Holzbläsersatz in dem Orchester!
Nach der Abendvorstellung wurden allen dann von Allen (Wortspielung...) eingeladen in einem tollen Restaurant, wo ein riesiges Buffet für uns bereitstand. Bei der sehr gemütlichen Premierenfeier (Taiwanesisches Bier, Orchestermitglieder die meinen Karaoke singen zu müssen etc...) habe ich glaube ich entdeckt was für viele Taiwanesische Mädchen das Highlight des Jahres ist: auf der Photo mit einem Kapellmeister - Ungelogen, mindestens 50 mal habe ich posiert... :-)

Am Tag der Premiere hatte ich noch schnell ein bißchen Sightseeing gemacht, da war ich nämlich noch nicht wirklich zu gekommen - also, Tempel nach Tempel nach Tempel in der brennende Sonne... Aber wunderschön, sogar ein Burg gefunden der original in 1653 von den Holländern gebaut worden ist: der Chickhan Turm. Aber auch hier konnten die Holländer kein Stand halten (die Zeiten haben sich nicht wirklich geändert, www.ihr-seid-nicht-lange-dabei.de) ... :-)

Heute war die zweite Vorstellung, knallhart einfach um 15.00 Uhr - und die war doch etwas schwerer... Es war zwar alles OK, aber Allen meinte, daß ich vergleichsweise an der langsamen Seite war mit meinen Tempi, und von Seiten des Ballets waren doch einige Unebenheiten. Aber es war trotzdem wieder ein Riesenerfolg, und wir haben diese Woche drei BOs um alles noch schöner zu machen. Ab morgen wird nämlich wieder probiert in Taipei, diesmal mit dem Taipei Symphony Orchestra. Die Tänzer haben frei, aber ich werde morgen das Orchester weiter in den Geheimnisse des Verdi-Spieles einwidmen. Freitag gibt es dann Premiere in dem Cultural Centre in Taipei, mit DVD- und Fernsehaufnahme. Muß ich vielleicht doch noch zum Friseur vorher. Vielleicht mit "Happy Ending?"...

Oben ein Bild von Robert Taylor und Greta Garbo in der gleichnämige Film "die Kameliendame".

08.08.2008

Some days...

Es gibt Tage, die scheinen ganz normal anzufangen. Man steht auf, geht unter die Dusche, putzt seine Zähne, geht zum Frühstück, einfach alles wie immer. Und manchmal geschieht dann an gerade so einem Tag die eine Verrücktheit nach der andere.

Nachdem ich heute meine "häusliche Angelegenheiten" ein bißchen gemacht habe (Wäsche machen, Koffer aufräumen etc.) bin ich so rund dem Mittaguhr im Taxi zum Theater gefahren. Und was passiert: aus irgendeinem Grund meldete sich mein holländischer Mailbox, und ich hole meine beide Handys aus der Tasche. Ich kontrolliere, und stecke sie zurück. Dachte ich zumindest.

Im Theater stelle ich dann fest daß mein deutsches Handy mit Taiwanesische SIM-Karte fehlt. Da ich fast sicher war daß ich es mitgenommen hatte, gerat ich etwas im Sorge. Habe ich es vielleicht im Taxi vergessen? Na gut, keine Zeit zum überlegen natürlich - die Probe sollte anfangen, Presse ist da, Orchester sitzt schon bereit, also, los...

Kurz vor der Probe werde ich dann von Allen "entführt" zur Presse. Da werden zwei riesigen Kameras auf mich gerichtet, brabbelt ein Taiwanesische Harald Schmidt etwas vor sich hin, und ich soll antworten????...... Können Schweine fliegen????.... Man kann sich schon vorstellen wie das aussah!... Das gleiche Spektakel wiederholte sich dann in der Pause, wo ich naßgeschwitzt bis auf die Haut das Taiwanesische Fernsehen etwas vom Pferd erzählt habe, mit viel "Foe Young Hai" und "Babi Pangang". Dies alles unter Begleitung von den Klängen unseren wunderbaren Geigen, die unter der Leitung von Roger, unser genialen und unermüdlichen Konzertmeister, versuchten die berüchtigte Forza-Passagen noch etwas positiver zu gestalten.

Nach der wirklich zufriedenstellend verlaufen Generalprobe gehen wir dann zurück ins Hotel. Und ich frage mal vorsichtig nach im Hotel, ob sie eventuell mein Taxi noch zurückfinden können, weil wahrscheinlich habe ich da mein Handy verloren. Einige verwunderten und mitleidenden Blicken kommen mir entgegen... Es gibt mindestens 800 Taxis in Tainan, alle mit der gleiche Käse-gelbe Farbe... Obwohl ich komischerweise den Mut nicht verliere, ist die Situation anscheint doch relativ aussichtlos.

Da heute ausnahmsweise mal keine Diner-Einladung auf dem Programm stand, entscheide ich mich alleine unterwegs zu gehen auf der Suche nach einer guten Mahlzeit. Ein Taxi bringt mich nach der Straße wo ich vor ein paar Tage schon mal außerordentlich gut vegetarisch gegessen habe. Jedoch ich möchte diesmal etwas anderes probieren, und ein nettes Etablissement lockt mich. Es stehen ganz viele tolle Gerichte auf dem Tisch, also hier werde ich mich wohl laben können! Einziges Problem: no english. AT ALL!

Aber nicht getrauert. Nachdem alle klar war daß es ohne zumindest ein kleines bißchen English nicht funktionieren wird, zeigen plötzlich allen (wirklich allen!!!) auf einen jungen Schüler, Lewis. Er studiert doch, er spricht doch (als einziger) English, na dann kann er doch den Europäer helfen bei seiner Bestellung... Und nachdem meine Bestellung von Reis, Gemüse und Tofu dann in fast zehn (!) Minuten "schon" geklärt ist, werde ich von Lewis und seiner Familie herzlichst eingeladen an deren Tisch zu kommen. Essen ist in Taiwan ein soziales Event, und für Taiwanesen ist das wohl vollkommen unverständlich wenn man alleine essen geht!

Und was ich an dem Tisch erlebt habe, ist wirklich unglaublich. Ich bekomme eine ungekannt leckere Portion von den exotischten Gemüsen mit herrlichen gebackenen Reis, und werde von der Familie versorgt mit Suppe und Tee. So gastfreundlich und so sorgsam habe ich das von absolut total unbekannten Leuten noch nie in meinem Leben erlebt. Mit Händen und Füßen reden wir über alles mögliche, wir lachen sehr viel, mittels Lonely Planet kriege ich tolle Anweisungen für die Sehenswürdigkeiten die ich morgen besichtigen möchte, und vor allem eines strahlt mir zu: echte, aufrichtig gemeinte Wärme einer Familie, die sich freut einen wildfremden Europäer helfen zu können.

Die Krönung war dann daß der Bruder von Lewis mich einfach wieder zum Hotel bracht, und das die Rechnung selbstverständlich nicht aufzutreiben war :-). So was schon mal in Europa erlebt?...

Bei Rückkehr im Hotel, wo ich von der ganzen Familie bis zur Tür begleitet werde, erwartet mich dann erneut eine Überraschung. Ein silbernes Nokia und zwei paar lachende Augen...

07.08.2008

Intensiver Valentin




Gerade wieder zurück im Hotel - die ganze Kompagnie war heute abend eingeladen in einem Deutschen Lokal in Tainan... Es hing also eine deutsche Fahne an der Wand, es gab deutsche Bilder, deutsches Bier (!), und ansonsten teils deutsche Speisen (Wurst, Sauerkraut etc.). Wir waren heute Gast des Managers unseres Hotels, in dem wir seit Anfang der Woche untergebracht sind. War schon komisch, um in der Mitte der Welt da gute deutsche Gastronomie anzutreffen!

Gestern war die ganze Kompagnie, inklusive die Stimmführer und Solobläser des Orchesters, auch schon eingeladen - diesmal von dem Orchesterdirektor! Es gab reichlich Kantonesisches Essen - Fisch, Gemüse, Fleisch, in allen Sorten und Maßen!!!

Komischerweise ißt man hier wegen den Chopsticks so langsam, daß man sich satt fühlt, aber gar nicht soviel gegessen hat!... Zumindest habe ich schon abgenommen!... (auch wenn das bestimmt jetzt niemand glaubt!...)

Die letzten beiden Tage waren sehr intensiv und anstrengend. Wir haben in zwei Bühnenorchesterproben versucht das ganze zusammenzubasteln, und ich darf wohl sagen, daß Allen, der Choreograph, und ich in Sache Effektivität den Hauptpreis mehr als verdient haben! Aber das Ballett ist dann auch echt gut: 30 Leute die mit Leib und Seele die ganz originelle und ausdrucksvolle Choreographie von Allen tanzen, vor allem die vier Solisten sind großartig! Nachdem wir dann 60 Musiker in dem doch recht kleinen Graben bekommen haben (die Taiwanesische Arbeitssicherheit war Gottseidank nicht anwesend, und der Orchestervorstand hat einfach "nicht hingeschaut"...), hatten wir zwei tolle Proben die großen Spaß gemacht haben! Das Orchester ist sehr gut, wird noch immer besser, und ist sehr engagiert bei der Sache! Morgen ist dann Generalprobe, mit Presse drin, damit sie schon für Samstag schreiben können. Ansonsten sind die Vorstellungen am Samstag und Sonntag schon mit jeweils über 1000 Karten verkauft im Vorverkauf!

Gestern war übrigens das National Taiwan Symphony Orchestra aus Taichung in der Probe, und während mein Konzertmeister die anschließende Streicherkorrektur-Probe durchführte, erhielt ich gleich eine Einladung um in Oktober einzuspringen... Mal gucken...

Merkwürdig, aber ich habe jetzt wirklich das Gefühl von früher zurück, wo ich mit dem holländischen Jugendchor "de Oosterhoutse Nachtegalen" auf Konzertreise war. Es gibt hier wirklich ein tolles Gemeinschaftsgefühl unter den Tänzern, es wird sehr viel gelacht, jeder weiß was er zu tun hat und wird auch darauf beurteilt, und jeder genießt und arbeitet für die Kunst.

Heute ist übrigens im Chinesischen Kalender den 7. Juli - Taiwanesischen Valentinstag! Ich bin also heute zu den Damenriege in den Holzbläser extra lieb gewesen und habe sie statt 20 Minuten nur 19 Minuten nachsitzen lassen - aber da waren die Akkorden dann auch blitzsauber! :-)

06.08.2008

Chi Mei

Heute morgen habe ich einen Besuch gebracht an das Chi Mei Museum in Tainan. Andy, der Orchesterdirektor, ist eine hohe Funktionär bei Chi Mei und zusammen mit seiner Schwiegertochter Rebecca war er so nett mich, zusätzlich zu seinem normalen Job, rumzuführen.

Chi Mei ist seit 1959 eine der größte Kunststofhersteller in der Welt, mit Fabriken in Tainan und in Zhenjiang. Das Chi Mei Museum ist das seit 1990 existierende Privatmuseum von dem Chi Mei Foundation. Die sehr reiche Sammlung in diesem Museum zählt 5 Kategorien: Westerliche Kunst (Malerei, Bilder etc), Naturhistorie, Waffen, Antiquitäten und... Musikinstrumente - und das alles von verschiedene Epochen und fast allen Kontinenten! Die Sammlung mit Musikinstrumenten war eine der Extraklasse - von alten afrikanischen Instrumenten bis über Pianolas (die auch noch spielten) und Drehorgeln zu den schönsten Streichinstrumenten!

Denn in dem Moment wo wir das meiste im Museum gesehen hatten, wurde ich geheimnisvoll mit nach einem untererdischen Stock mitgenommen. Und was ich in diesem Stockwerk zu sehen bekam war wirklich schier unglaublich: eine Kollektion von raum 450 Streichinstrumenten, wovon 350 Geigen, mit darunter auch Amati, Stradivarius, Guarneri, Stainer, Guadagnini! Was für eine Geschichte war in diesem Raum anwesend! Dann steht man plötzlich mit so einem Stradivarius in der Hand und weiß gar nicht was man sagen soll! Der Chi Mei Foundation stellt diese Instrumenten alle zur Verfügung an talentierte Taiwanesische Streicher, z.B. Yo Yo Ma - das einzigste das sie dafür zahlen müssen sind die Versicherungen. Der Foundation macht sich stark dafür daß "good instruments be played by good players and the good music thus produced be shared by all mankind ", laut Mr. Wen-long Shi, President der Chi-Mei Culture Foundation. Vielen Mitglieder aus dem Chimei Philharmonic Orchestra spielen auch auf einer diesen Instrumenten!

Danach hatte ich die letzte Orchesterprobe mit dem Orchester - und abends Ballettprobe, die erste im Tainan-Theater. Die Tänzer waren alle schon arriviert, und Allen arbeitete in TGV-Tempo durch sein Stück. Er war glaube ich nicht sonderlich zufrieden, aber wir haben noch ein paar Tage. Morgen ist der erste von nur zwei (!) Proben mit Ballett und Orchester zusammen - ich hoffe, daß allen im Graben passen... Und wenn nicht, wende ich einfach eine meiner Hagener "Tricks" an (jetzt traue ich mich erst das zu gestehen...) und dann wird das schon gehen...!

Unten ein Bild von Andy, Rebecca und der Rest Ihrer Familie beim Japaner letzte Woche. Mir läuft's Wasser noch immer im Mund!...



03.08.2008

Frei

Heute war von dem Dirigenten frei angesagt
:-) - und dieser freien Tag wurde von mir teilweise verbracht auf Taipei Main Station (um ein Schließfach für meinen Bagage zu finden - gar nicht so einfach!) und teilweise im wunderbaren National Palast Museum. Dieses Museum ist eine Kunst-Galerie und Museum in Taipei, und beherbergt die weltweit größte Sammlung chinesischer Kunstwerke von wirklich unschätzbarem Wert. 5000 Jahre Geschichte von China wird hier gezeigt, und die Sammlung in Taipei ist selbst größer als in der Verbotene Stadt in Bejing! Die meisten dieser Items sind in der Vergangenheit gesammelt worden von Chinas alten Kaisern.

Danach war ich wieder "on tour": morgen werden wir weiter proben in Tainan, also war heute wieder Highspeedrail angesagt zum Süden.

Es ist ja übrigens unglaublich wie schnell ein Mensch sich an alles gewöhnt - es fühlte sich alles schon als ganz alltäglich an, obwohl ich hier erst eine gute Woche bin und hier am Sonntag der reinste Wahnsinn los ist! Heute war ich übrigens unterwegs mit Eric, ein Student aus Darmstadt, der ein Praktikum in Taipei macht und im gleichen Hotel übernachtet. Und wenn man als Europäer schon kein Chinesisch spricht haben wir wenigstens eines auf den Asiaten vor: wenn man einander in einer Riesenmenge von Leute (wie z.B. auf einem Bahnhof) verliert dauert das meistens nicht lange - es gibt nämlich nicht so ganz viele Menschen die größer als 1.60 sind!...

Kammeroper

Das National Theatre in Taipei steht neben dem National Concert Hall und ist ein gigantisch tolles Gebäude! Beiden gehören zu den ersten großen Säale in Taiwan die für Theater und Musik genützt werden konnten. Bei dem Tod von Chiang Kai-Shek, der General von der Chinesische Nationalistische Partei in 1975 wurde von der Regierung entschieden beide Gebäuden inklusive ein Gedenkzeichen zu bauen auf eine Art "memorial Plaza", daß dann in 1987 eröffnet wurde.

Nachdem ich heute nachmittag wieder fleißig geprobt habe mit dem Taipei Symphony Orchestra, bin ich heute abend nach einer Aufführung gegangen der dirigiert wurde von meinem Assistenten in Taipei, Chih-Chin Yang. Zusammen mit Petra Müller, eine deutsche Regisseurin, wurde von der örtliche Opernstudio große Opernszenen erarbeitet, und in dem kleinen Saal, das sogenannten "Expermentellen Theater" gezeigt. So schön um wieder Oper zu sehen! Es war ein toller Abend und wirklich gut gemacht, auch wenn man sich zunächst erstmal einstellen muß auf ständig wechselnde Chinesische "Seitentitelung", Asiaten mit europäischen Perücken und einen verdammt Taiwanesischen Akzent bei der französische Aussprache von Massenets Manon. Gesungen wurde auch sehr gut - und wenn der Abend mit Cosi fan tutte endet ist Erfolg natürlich garantiert!

01.08.2008

Tanzen möcht' ich



Heute war die erste Begegnung mit dem Ballett von Taipei, unter der Leitung von Allen Yu. Nachdem ich nach meiner schönen Orchesterprobe mit dem Taipei Symphony Orchestra etwas verloren am Jingmei Bahnhof abgeliefert wurde von einem Taxi, brachte Allen mich nach ein bißchen telefonieren mit meinem Taiwanesischen Handy doch zur richtigen Probebühne.
Heute wurde das Ballett den ganzen Tag mitgefilmt fürs Fernsehen, und der erste Durchlauf mit Kostümen wurde also registriert für die Augen mehreren Kameras! Die Kameras waren leider auch Zeuge eines Unfalls: Nicola, die die Hauptrolle der Traviata tanzt, rutschte in den 2. Akt aus, und verletzte Ihr Knie. Allen waren natürlich riesig besorgt, aber sie markierte den dritten Akt durch, und heute abend sah ich sie wieder normal rumlaufen, also hoffentlich wird die Verletzung nicht zu schlimm ausfallen.

Es war heute der erste Tag nach dem Urlaub fürs Taipei Symphony Orchestra, und sie haben sich heute morgen und heute abend warm spielen können an zwei Stunden Verdi-Musik. Morgen wird noch nachgearbeitet, und heute abend konnte ich dann auch zwei erfreuliche Nachrichten verbreiten. Da der Graben wirklich nicht so groß ist, habe ich den Streicheranzahl reduziert. Und da unser nächste Probe (nach morgen) erst wieder am Montag den 11. August ist, habe ich es gewagt die SONNTAGMORGEN-Probe um NEUN UHR (!!!!) ausfallen zu lassen. Ich hoffe daß die Orchestermitglieder aus Hagen dieses Blog nicht lesen: beides sind Zugeständnisse die in zehn Jahre Hagen so gut wie gar nicht vorgekommen sind! Aber sie werden zugeben müssen: Orchesterproben Sonntags um neun auch nicht :-)...

ps. für den der mal gucken möchte: ab jetzt gibt es www.antonyhermus.com!