20.08.2008

Leidenschaft...

Gestern abend war die letzte Vorstellung in Shingzu, irgendwo in der Taiwanesische Provinz... Es war ein altmodisches, kinomäßiges Zuschauerraum, aber hatte eine schöne Atmosphäre. Nur... es sah so aus alsob die Reinigungsdienst in Shingzu schon ein paar Jahre gestreikt hat... Alle Tänzer hatten vielleicht 4 Spiegel, der Aufenthaltsraum für das ganze Orchester war ungefähr so groß wie 5 Toiletträume - und gerade Toiletten hatten wir gerne ein bißchen mehr gehabt - eine Toilette für ungefähr 100 Mann ist ja nicht gerade üppig, vor allem, wenn auch noch das Toilettpapier fehlt... Nach erster Entdeckungsreise im Orchestergraben, die ich übrigens nicht ohne Lebensgefahr erreicht habe (wie kommt man da eigentlich? Also, großer Ladeaufzug nach unten - durch eine Art Bibliothek wo Kinder gerade am malen sind - dann durch ein Art verstaubtes altes Packhaus - und dann eine ganz steile Treppe so fast 10 Meter RAUF-klettern), habe ich die sechs (!) Orchesterwarte (Entschuldigung, Carlos, Heinrich und Marcus...) erstmal beauftragt einen Putzlappe zu holen und die Wänden des Grabens gründlich zu wischen...!

Während das die anderen trainiert haben (ich nicht, macht Euch keine Sorgen/Hoffnung...!) bin ich mit einem Freund von Allen in der drückende Hitze von Shinzu gegangen, wo nach drei Minuten uns beiden der Schweiz über den Stirn lief. Also was macht man dan?... Dann wird gesündigt! Wir sind beide in einem McDonalds geflüchtet... Und haben uns da an dem Ice-Kaffee gewagt! Weil in dieser Vorstellung wieder, nach anderthalbwochigen Pause, das Chimei Philharmonic Orchestra spielen würde, und dieses Stück für die ersten Geigen wirklich sehr harig ist, hatte unser Konzertmeister Roger die Gruppe einfach (!) eine Stunde früher bestellt. Natürlich war kein ordentlicher Probenraum zur Verfügung, also ist die ganze Gruppe in einer Art Vorlesungsraum gelandet, mit fester Bestuhlung. Und da kann man natürlich nicht wirklich "musikalisch" sitzen, also bleibt man einfach während der Probe stehen!... Nachdem ich nach einer halbe Stunde mal reinschaute waren allen fleißig daran - und der Konzertmeister stand auf dem Stuhl und dirigierte!

Übrigens haben die hier ganz tolle, auf dem Pulten aufklipbare Lichte für den Orchestermusiker - Yamaha "mighty bright". Hatte ich noch nie gesehen, aber funktionierte wunderbar, statt all die übliche Kabeln und Schnüren im Orchestergraben! Und war nicht teuer! Sogar der Dirigent hat einer bekommen!

Die Vorstellung war grandios - ein wirklich fulminanter Abschluss. Alle haben noch so richtig das letzte gegeben, und was aus dem Orchester kam war schier unglaublich. Nach meine knappe Ansage in der Anspielprobe, daß "das Blech heute sehr offen sitzt, und alle Dynamiken halbiert werden müßen" kam den ganzen Abend eine energische aber wunderbar differenzierte Blechklang, der nie das mezzoforte und damit das Orchester überdröhnte. Die Streicher haben das Stück wirklich mit wahnsinnigen Leidenschaft "gelebt", und die Holzbläser-Soli waren so innig und wunderschön. Und während der ganze Vorstellung hatte ich so eine enorme Menge Augenkontakt - das war phantastisch! Am Ende der Vorstellung trampelte und klopfte das Orchester vor großer Freude, und wir hatten dann auch standing ovations - für Taiwan eine Sensation!

Zum Schluss mußten wieder zahlreiche Unterschrifte verteilt werden, und wollten wiederum etliche Teenys den Kapellmeister digital verewigen... Ich bekam auch noch einige schöne Geschenke von den Tänzern - Chinesische Tee, herrliche Cake, und eine tolle "Happiness-Kette". Und ich war sehr gerührt.

Es ist komisch, wie schnell man sich (oder ich mich) mit leidenschaftlichen und passionierten Leuten verbunden fühlt. Von den Orchestermusiker und den Tänzern ist die ganze Zeit so eine große Energie rübergekommen, das hat mich schon sehr gepackt. Auch der Choreograph Allen hat mich mit seinem harten aber ehrlichen, konsequenten und liebevollen Art, und seinen unglaublichen Zieleinforderung und Leidenschaft, wahnsinnig beeindruckt. Ich bin sehr dankbar, daß ich diese Leute allen kennengelernt habe, und mit Ihnen arbeiten durfte - es war eine grandiose Erfahrung. Nachdem wir dann allen kurz nach zwölf wieder zurückwaren in Taipei, und ausführlich uns verabschiedet hatten, konnte ich natürlich nicht schlafen, und habe noch etliche Emails verschickt. In Hagen lief gerade das erste Sinfoniekonzert unter meinem Nachfolger Florian Ludwig, und in Gedanken war ich bei ihm und meinen ehemaligen Orchesterkollegen.

Übrigens nehme ich jetzt eine gute Woche "Blog-Pause" - ich werde heute abend nach Thailand fliegen, und eine Woche lang kein Telefon und Computer bedienen. Ende August komme ich zurück nach Taipei, und bin ab ersten September wieder für neue europäischen Abenteuer bereit! Es gibt gleich in September sehr viel: Open Air Konzert in Duisburg mit Sergey Nakariakov und Geert Chatrou, dann in Bochum den kompletten Ma Vlast und ein Auftritt bei den internationalen Herbsttagen in Iserlohn mit Ralph Manno, und anschließend Het Gelders Orkest mit Gavriel Lipkind und 5. Dvorak. Aber ich freue mich sehr darauf!!!

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