23.10.2008

Rule number Six

Vor einigen Jahren habe ich einen Dirigierkurs gefolgt bei Benjamin Zander. Ben ist Dirigent von dem Boston Philharmonic Orchestra, und nimmt momentan mit dem Philharmonia Orchestra in London einen Mahlerzyklus auf. Er hat mit seiner Frau Roz einen fantastischen Buch geschrieben, "The Art of Possibility". Das Buch handelt sich um alle mögliche Prinzipien im (Musiker-)Leben, und ist eine echte Empfehlung, auch für Nicht-Musiker!

In diesem Buch wird unter anderem geschrieben über die Tatsache daß wir Menschen uns in unserem täglichen Leben oft viel zu wichtig nehmen. Wenn man mal wieder zu viel Wind um nichts macht, ist es immer wieder gut jemanden zu haben der alles im richtigen Perspektiv rückt. Die Zanders nennen das

"Rule Number Six: "Don't take yourself so goddamn seriously".

Wir Dirigenten sind da meistens nicht so gut in... Herbert von Karajan, der berühmte Dirigent der Berliner Philharmoniker, stieg einmal nach einer Probe in seiner Limousine, und spornte seinen Fahrer an schnell weg zu fahren. "Fahr... Fahr!!!" Der Fahrer antwortete: "Kein Problem, Herr von Karajan. Aber wohin?". Die Antwort von Karajan kam sofort. "Das macht mir gar nichts aus - man braucht einen Dirigenten wie mich überall!"...

Obwohl es, wie bei Dirigenten, gottseidank auch Ausnahmen gibt, haben auch andere Künstler so Ihre Tücken. So wie zum Beispiel der Photograph, der letzten Dienstag sich ohne irgendwelchen Hemmungen fast zwischen den Kontrabässe der Niederrheinische Sinfoniker stellte um während der Fliegende Holländer-ouvertüre ein schönes Bild zu fabrizieren.

Oder... Musikkritiker... Herrlich ist dabei die berühmte Satire "Der Musikkritiker" von Georg Kreisler:

Heute findet jede Zeitung
Größere Verbreitung durch Musikkritiker,
Und so hab auch ich die Ehre
Und mach jetzt Karriere als Musikkritiker.
Ich hab zwar ka Ahnung, was Musik ist,
Denn ich bin beruflich Pharmazeut,
Aber ich weiß sehr gut, was Kritik ist:
Je schlechter, um so mehr freun sich die Leut.
Es gehört zu meinen Pflichten,
Schönes zu vernichten als Musikkritiker,
Sollt ich etwas Schönes finden,
Muß ich's unterbinden als Musikkritiker.
Mich kann auch kein Künstler überlisten,
Da ich ja nicht verstehe, was er tut.
Drum sag ich von jedem Komponisten:
Erst nachdem er tot ist, ist er gut!
Ja, endlich hab ich einen Posten,
Und die Zeitung läßt es sich was kosten.
Ich sitzt auf dem ersten Platze,
Und die Sänger sehen meine Fratze.
Orff und Egk und Boris Blacher
Fürchten meine hohnerfüllten Lacher.
Hindemith, Strawinsky und Varèse
Sind zwar gut, doch ich bin bese.

Warum schreibe ich dies alles?

Weil mir am Wochenende etwas verrücktes passiert ist! Folgende Passage stand nämlich in der Siegener Zeitung, als Kritik von der Wiederaufnahme von der großartigen Roman-Hovenbitzer-Inszenierung von Heggies "Dead Man Walking" durch das Hagener Theater und Orchester:

WIRKUNGSVOLLES MUSIKTHEATER
Siegen - »Dead Man Walking« als moderne Oper: Packend und berührend
Theater und Philharmonisches Orchester Hagen überzeugten im Apollo mit Heggies Oper.
...Die vom Philharmonischen Orchester Hagen unter Leitung von Antony Hermus gezeichneten flächigen Klangbilder leiten das Publikum bei Szenenwechseln, das Orchester musiziert durchweg intensiv....


Leider war ich dieses Wochenende nicht in Siegen, aber in London... Die Lorbeere für diese Wiederaufnahme verdient voll und ganz mein Kollege Steffen Müller-Gabriel der dieses wirklich schwere Stück mit großer Souveränität und Sicherheit über die Bühne gebracht hat!...

Und was denkt man, nachdem man sich zehn Minute lang aufgeregt hat über ein Musikkritiker, der sich noch nicht mal die Mühe gemacht hat, sich mit der vom Presseabteilung des Theaters angelieferte Tagesbesetzung auseinanderzusetzen, um damit ein gewisses Respekt für die Künstler zu gewährleisten?...

Genau... Rule number six!...

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