09.03.2009

Märchen

Oper ist eigentlich eine recht seltsame Kunstgattung. Die Verbindung von vielen interessanten Komponenten, die gemeinsam ein Gesamtkunstwerk bilden sollen – Drama. Text, Musik, Technik, Bild, Gesang, Orchester, Kostüm, Licht, etc.. Man hat zu tun mit vielen Personen, jeder von unterschiedlichsten Herkunft und mit unterschiedlichsten Interessengebieten – und es passiert in dem seltensten Fällen, daß man eine wirklich große Einheit und gemeinsames Gefühl in so einem großen Team erfahren kann.

Die letzten Wochen bei Opera Zuid aber dürfte ich allerdings dieses Wunder erleben. Es waren Wochen wo das 3-Buchstaben-Wort „ego“ einfach nicht existiert hat. Wochen wo die Wörter „miteinander“, „voneinander“ und „füreinander“ mit Kapitalbuchstaben geschrieben standen. Ein großer Verdienst unter anderem von der Regisseur Sybrand van der Werf, der mit extrem guten Vorbereitung, feines musikalischem Einfühlungsvermögen, großem Respekt für Stück und Menschen und einem unprätentiösen, humorvollen und wirklich interessanten Blickwinkel Rimsky-Korsakows „Zar Saltan“ zum Leben hat geweckt.

Der Teamgeist erreichte gestern einen Höhepunkt. Wie in Märchen üblich, passiert immer etwas nicht wie es geplant war… In diesem Fall wurde drei Stunden vor der gestrigen Nachmittagsvorstellung klar, daß Fenna Ograjensek, die die Rolle der Zarenfrau Militrissa bis jetzt fantastisch gesungen hat, diese Vorstellung nicht singen konnte und durfte, da sie von einer viralen Infektion getroffen war. Panik also – wo findet man so kurzfristig Ersatz bei einem so unbekannten Stück, dabei noch auf holländisch… - und vor allem: wie kriegt man diese Vorstellung, die gut verkauft war, und wobei viele Kinder Ihre erste Opernerlebnisse bekommen würden, jetzt doch über die Bühne?! …

Aber in den meisten Märchen geht es Gottseidank gut aus… So auch gestern! Miranda van Kralingen, die Intendantin von Opera Zuid, blieb ganz cool, und hat schnell mit Kim Savelsbergh und Karin Strobos telefoniert, zwei andere hochprofessionelle Sängerinnen aus der Produktion, die sich beiden sofort auf dem Weg ins Theater begaben. Da wurde ab halb eins mit der Hilfe von Gabrielka Clout, die Repetitorin, und meine Wenigkeit die Partie – aufgeteilt - mit den beiden Damen in Speedy-Gonzales-Tempo einstudiert. Nynke van de Bergh, die Regieassistentin, bedachte du moment die szenische Lösung, Danielle Wauben vom Companymanagement organisierte die kleine extra Coupure mit dem Orchester, Pieter Loman (Vorstellungsleiter) organisierte die erneute technische Abläufe, das Limburgs Symfonie Orkest zeigte sich sehr flexibel ins abfangen der unvorhergesehene Situation und hopla… plötzlich fand die Vorstellung doch statt, mit Fenna spielend auf der Bühne, und Karin und Kim abwechselnd leidenschaftlich singend an der Seite der Bühne. Und viele glückliche Besucher im Zuschauerraum.

Es zeichnet sehr für die Ensemblegeist dieser Produktion, daß allen in dieser „Krise“ so cool geblieben sind, und so an einem Strang gezogen haben. Es hat mich sehr beeindrückt, und ist ein großes Beispiel von wie mit gegenseitigen Unterstützung und Vertrauen Herausforderungen bei Repertoirevorstellungen gemeistert werden können - wenn man will, und wenn man alle am gleichen Strang zieht! Das ganze Publikum hat jetzt bei dieser Vorstellung die Flexibilität unseres gesamte Ensemble sehr deutlich unter Beweis gestellt bekommen – und ich bedanke mich dann auch bei allen die an dieser Vorstellung so einen unglaublichen Support gegeben haben! Auf weitere 10 schöne Vorstellungen – aber dann hoffentlich mit gesunden Sängern!... :-)